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MÄRZ – JUNI 2019 – EINMAL UM DIE HALBE WELT
Während vier Wochen bin ich mit meiner Familie über Deutschland, Finnland, Russland, die Mongolei und China per Zug und Schiff nach Japan gefahren. Dort haben wir zwei Monate lang Land und Leute erkundet.
Hier meine ReiseKultur-Eindrücke:
D I E A N R E I S E März/ April 2019
HELSINKI
Die erste Etappe ist geschafft und nach einer guten Überfahrt von Travemünde nach Helsinki bestaunen wir dort die neue Bibliothek der Stadt: ein Ort der Begegnung, des Austauschs und der Möglichkeiten. Von Sitzungszimmern über verschiedene Nähmaschinen bis hin zum 3D-Drucker sehen wir Verschiedenstes in einem Offenen Haus, bis wir in der obersten Etage zur eigentlichen Bibliothek gelangen. Hier findet gerade eine Führung auf Japanisch statt, eine Eltern-Kind-Gruppe singt finnische Reime, die Terrasse mit phantastischem Blick auf die Stadt ist noch mit Schnee bedeckt, und es stellt sich ein Gefühl von Offenheit und Freiheit ein in diesem wunderschönen und grosszügigen Ort der Bücher.
Zuvor haben wir die alte Posthalle bewundert, die allerdings mittlerweile ein Showroom für Nikon ist. Das aktuelle Postamt befindet sich in der äusseren Ecke eines Einkaufszentrum aus den 70er Jahren. Dort entdecken wir Briefmarken mit – Mumins!
So schön kann in Stein gehauener Glaube sein: die Temppeliaukio-Felsenkirche in Helsinki
ST. PETERSBURG
Während unserer anderthalb Tage Aufenthalt in St. Petersburg läuft „Die Puppenfee“ im Mariinsky Theater. Das barocke Gebäude ist nicht das einzige mit diesem Namen: mittlerweile gibt es einen modernen Neubau (s.u.) und einen Konzertsaal. Die Inszenierung der Puppenfee passt perfekt in das Ambiente des prunkvollen alten Theaters: virtuose Tänzer, mit einer Prise Humor, eine Primaballerina, die bald jeden Tanzschritt würdigen lässt, und ein Weltbild, bei dem ich mich frage: alte Kunst bewahren um jeden Preis, mit überholten alten Rollenbildern, oder doch einen Schritt ins Heute gehen?
„Die Puppenfee“, Choreografie: Konstantin Sergeyev
Foto: www.russianbroadway.com
Die Inszenierung ist jedenfalls beliebt. Die Kassendame schaut uns ungläubig an, als wir eine Viertelstunde vor Beginn noch um zwei Karten bitten. Wir haben die Wahl zwischen DER Zarenloge!, direkt neben der Zarenloge und im obersten Rang, auf Augenhöhe mit dem beeindruckenden Kronleuchter.
Wir entscheiden uns für den Kronleuchter; dort fallen wir in unserer normalen „Zivil“-Kleidung auch nicht so sehr auf, sind doch alle anderen, Kinder wie Erwachsene, mächtig herausgeputzt für den Ballettbesuch am Sonntag Mittag.
Nach dem Theater geht es zum Grand Maket, einer Miniaturwelt, die ganz Russland abbilden soll. Am liebsten war mir zwischen all den vielstöckigen Modellbahngleisen, dem Feuerwerk, das wie eine Schlacht tönte, und unglaublich detailgetreuen Feldern, Minen und Städte – inklusive Sotschi – der Idiot 🙂
MOSKAU
Es ist nur ein kurzer Zwischenstopp in Moskau und so haben wir gerade Zeit, auf dem Weg zur Metro – Kunst fürs Volk! –
… die grossartige Basilius-Kathedrale zu sehen und Lenin im Vorbeigehen zu grüssen – wenn er es denn überhaupt ist. Er hat gerade einen Monat frei, for restauration, wie mir der Herr mit klassischer Pelzmütze und vertrauenserweckendem Militärmantel erklärt.
Interessant, dass die Basilius-Kathedrale im 16. Jahrhundert von Zar Iwan IV. in Auftrag gegeben worden war, nachdem die Tataren über Jahrhunderte die Russen bedrängt hatten und nun endlich zurückgedrängt worden waren. Die Mongolei war und ist ja nicht gerade ums Eck – genauer 5 Tage und Nächte Zugfahren, in heutiger Zeitrechnung mit der TransSib.
Die Basiliuskathedrale in Moskau
Ebenfalls im Vorbeigehen sehen wir eine Mahnwache für Boris Nemzow, der von vier Jahren hier auf der Grossen Moskva- Brücke ermordet worden war. Erstaunlich, dass dieser Gedenkort bestehen darf, mussten doch nach nach der Gedenkfeier vor zwei Jahren alle Spuren einer Mahnwache weggeräumt werden.
DIE TRANSSIBIRISCHE EISENBAHN
… eine kleine Zug-Impression
Von Moskau nach Irkutsk zu reisen ist als ob man Russland im Konzentrat erlebt. Und dabei zeigt die Strecke nur einen kleinen Auszug dieses riesigen Landes. Irkutsk liegt weit im Süden Sibiriens, unglaublich die Weite, die noch darüber liegt. Doch schon dieser Ausschnitt beeindruckt mich sehr. Dazu fahren wir am Ende des Winters durchs Land. Das heisst, Birken so weit das Auge reicht in durchweg weisser und vor allem gefrorener Landschaft.
In dieser Kargheit knallen die Bahnhofsgebäude extra stark heraus, sie haben alle den gleichen Bau und dieselbe Farbe. Beeindruckend konsequent.
Der Bahnhof in Omsk
… es war so ziemlich alles vereist auf der Reise, die Gleise, Fahrgestelle, Sitzbänke auf der Wiese. Als ich das vereiste Fahrwerk unseres – in Görlitz gebauten! – Wagens fotografieren wollte, liess ein aufpassender Herr in Pelzmütze den Wagenführer mich fragen, warum ich es denn fotografiere; eine gewisse Skepsis war nicht zu übersehen. Ups, tat ich etwas Verbotenes? Dieses Gefühl hat mich in Russland oft begleitet, auch wenn wir immer wieder unglaublich herzlichen Menschen begegnet sind – so auch Nadia, unsere Wagenführerin, die immer gut für uns geschaut hat.
Eine meiner Lieblingsszenen währende der TransSib-Fahrt, so wunderschön russisch 🙂 :
Ohne ihn wären wir nichts gewesen: der gute alte Kohleofen – Sauna pur. Entweder ist es richtig kalt oder richtig heiss in Russland – in Irkutsk wird es im Sommer locker um die 40 Grad heiss. Ein Dazwischen gab es nicht, zumindest nicht in unserem Abteil.
DER BAIKALSEE
Der Baikalsee:
Endlose Weite…
oder doch die Riviera Sibiriens?
Luftkissenboote, Rentierschlitten, Motorschlitten, Töffs für Grosse und Kleine, Eistauchen, Hundeschlitten, Iglu-Bars, Eisschollenskulpturen – auf dem See ging es hoch her. Unter dem Gewimmel ein einmaliges Biotop bis in über 1600 Metern in der Tiefe. Am Ufer ging es in Listwjanka weiter mit Seehundshows, Fisch- und Souvenirmarkt,. Dazu eine Holzkirche im Ortskern, die bereits zum dritten wieder aufgebaut wurde. In Listwjanka am Baikalsees war ordentlich was los. Von Dezember bis Mai ist der Baikalsees gefroren, bis ca. April gibt es festgelegte Strassenrouten auf dem See.
IRKUTSK
Irkutsk sei das Paris Sibiriens, heisst es. Dies, weil es als erste Stadt in Sibirien Steinhäuser gebaut hat, nachdem beim grossen Brand 1879 der Grossteil der Stadt niedergebrannt war. Im Zuge des Wiederaufbaus wurde auch das Theater in Irkutsk gebaut:
Doch was nirgendwo fehlt, ist ein grosses Zirkuszelt, sei es der Staatszirkus in Moskau, oder der in Irkutsk, wo gerade eine französische Truppe gastierte, oder in Ulan Baator, wo nach der Abendvorstellung vor allem Familien aus dem ausverkauften Zirkus strömten.
In Irkutsk haben mich vor allem die wunderschönen alten Häuser beeindruckt, von denen nur ein Bruchteil saniert ist.
Frage: Warum gehen die Fenster bis auf die Strasse?
Antwort: Mit jeder neuen Strassensanierung wurde einfach neuer Teer auf den alten gekippt. Die alten Häuser blieben wo sie waren, während der Strassen“pegel“ stetig stieg. Immerhin kann man beim aktuellen Stand bequem durchs Fenster ein- und aussteigen …
Tagsüber gab es dann andere Kuriositäten zu sehen:
DIE MONGOLEI
Eine ganz eigene Kultur leben die Mongolen in der Steppe. In zwei Stunden ist die komplette Jurte abgebaut, das Feuer in der Mitte des Gher, wie die Jurte in der Mongolei heisst, darf nicht ausgehen, im Sommer müssen die Stuten alle zwei Stunden gemolken werden. Die Pferde- und Viehherden sind frei in der Steppe unterwegs und wissen, wohin sie gehören. In unserem Ghercamp liegen überall Knochen und Schädel von nicht kleinen Tieren herum. Das Leben ist hart. Mensch und Tier leben miteinander ihr raues Leben. Umso bemerkenswerter ist ihre Gastfreundschaft. Mit Händen und Füssen erzählen wir gegenseitig voneinander.
Zum Ausritt, wenn die Touristen auf den Sätteln platziert sind, wird gemütlich losgeritten und entweder 1. die Fluppe angezündet und 2. das Natel gezückt, oder umgekehrt. Was einen zünftigen Galopp durch die Steppe zum Glück nicht ausschliesst 🙂
Um Ulan Baator herum sehen wir viele Jurten in Zaunpferchen, manchmal mit einem Auto, und leerem Hof. Viele Nomaden sind am Rande der Stadt gestrandet.
In Ulan Baator habe ich die Möglichkeit, einen privaten Kehlkopfworkshop zu besuchen. Mein Lehrer Tsolmon gibt zum Einstieg ein kleines Solokonzert und begleitet sich selber auf der Pferdekopfgeige – sie ist nicht aus einem Pferdeschädel gebaut, sondern mit einem stolzen Pferdekopf verziert, wie die Schnecke beim Cello. Beeindruckend und Gänsehaut erzeugend sind die Töne und Klänge, die Tsolmon aus seinen Tiefen, aus Kopf und Kehle lockt. Und was für vielseitige Töne er auf ganzen zwei einfachen Saiten zu spielen vermag.
Tatsächlich schaffen es einige Kehlkopftöne auch aus meiner Kehle. Pures Krafttraining! Ich rechne mit heftigem Muskelkater in Zwerchfell, Bauchmuskeln und Hals. Doch weder Muskelkater noch Heiserkeit stellen sich später ein, und ich habe meinen Stimmbändern einiges zugemutet für einen kurzen Kehlkopfklang.
Im Anschluss darf ich mich auf der Pferdekopfgeige versuchen 🙂
Nachher stellt sich heraus, dass mein Lehrer Tsolmon lange Jahre in Bremen, meiner Heimatstadt, gewohnt hat – in Gröpelingen! – und auf dem weihnachtlichen Schlachtezauber an der Weser mit seiner Combo aufgetreten ist! Wie nah sich die ferne Heimat auf einmal anfühlt.
Bonmot am Rande: die Mongolen sollen so verwachsen mit ihren Mobiltelefonen sein, dass es Usus ist, während der Arie des Opernstars ungerührt ans klingelnde Telefon zu gehen und eine lautstarke Unterhaltung zu führen, also im Opernsaal.
BEJING
Bejing! Wir sind da, am Zielbahnhof der Transsibirischen Eisenbahn, die hier korrekterweise Transmongolische Bahn heisst.
Bis wir auf dem Platz des Himmlischen Friedens stehen, haben wir über gefühlte Kilometer den Weg von der U-Bahn über streng abgesperrte Wege zurückgelegt und eine Pass- und Taschenkontrolle passiert. Vor dem grossen Mao-Portrait werden Schnappschüsse und Erinnerungsfotos geknipst.
Die Verbotene Stadt ist riesig, eine Stadt in der Stadt. Bald sehen wir überall Bäume, die etwas künstlich wirken, und entziffern sie als Funk- und Sendemasten inklusive Kameras, getarnt als Nadelbäume.
Alles hat seine Ordnung:
… zwanzig Meter neben diesen Gummistiefeln im Spalier stehen regungslos die potentiellen TrägerInnen.
Ordnung herrscht auch in der Gold Street, zumindest im Sortiment der Stände:
Von vorne nach hinten: kleine Skorpione, zappelnd, grosse Skorpione, Vogelspinnen, Tausendfüsser, Heuschrecken, Seesterne. Dieser Stand hat allerdings ein extraordinäres Angebot.
DIE GROSSE MAUER
Was kann ich dazu noch schreiben? Mauer, so weit das Auge reicht. Und weit darüber hinaus. Je steiler der Berg, desto mehr Mauer, möchte man meinen. Jeder Stein hat seine Geschichte. Was hier alles passiert ist während des Baus, der um 700 v.Chr. begann und sich bis ins 17. Jahrhundert gezogen hat. Schätzungen wandern zwischen gut 8000 und über 21.000 Kilometern Bauwerk. Was da an Stein bewegt worden ist. Und an Handel die Mauer entlang. Wie sind hier voll bepackte Lastentiere vorangekommen?
Beim Aufstieg zur Great Wall wieder einmal lustig getarnte Masten und – neu – angepinselte Papp-Felsen. Aus denen dudeln Greatest Hits of China, die Popcharts rauf und runter. Auf dass es nich langweilig wird in dieser atemberaubenden Natur?
SHANGHAI
Kurzer Zwischenstop in dieser spannenden Stadt. Man beachte die heranziehenden Wolken:
Keine zwei Stunden später sah es in gut 600 Metern vom Shanghai Tower aus so aus:
Der Shanghai Tower war bis vor wenigen Jahren das höchste Gebäude der Welt. Das ist er zwar nicht mehr, aber unumstritten ist er das höchste ökologisch gebaute Hochhaus der Welt. Der Highspeed Elevator verbraucht einen Bruchteil an Energie der herkömmlichen Fahrstühle, das Regenwasser wird gesammelt und am Ausgang als Shanghai Tower Water als Souvenir verkauft, der Wind eingefangen und in Energie umgewandelt.
Als Shanghai für die westliche Welt das Tor zu China wurde, zogen u.a. Pyjamas in die Stadt ein und galten fortan als Statussymbol. Es war en vogue, den Pyjama für den abendlichen Ausgang in die Stadt anzuziehen. 2008 wollte die Regierung zu den Olympischen Sommerspielen diese Spielart verbieten. Woraufhin sich viele v.a. ältere Herren extra fein machten und demonstrativ im Schlafgewand durch die Stadt flanierten.
Die Französische Konzession – das perfekte Viertel zum Flanieren
Nach zwei Tagen in Shanghai soll uns die Su Zhou Hao währen zwei Tagen und zwei Nächten über das Ostchinesische Meer und die Seto Inland See nach Osaka in Japan fahren.
Nach Wochen des Zugfahrens realisiere ich zu spät, dass die Überfahrt nicht so friedlich werden soll, wie ich mir das vorgestellt habe.
Ein Sturm zieht auf, der es in sich hat, und der erst wieder in der Seto Inland See am zweiten Abend vorüber ist. Nun verstehe ich auch, warum ich unsere Nagelschere zu Beginn der Reise abgeben musste …
Am nächsten Morgen dann friedliche Stimmung in der Binnensee.
Japan, wir sind da!